Der Stand der Gesichtserkennung weltweit
Von öffentlichen Videokameras bis hin zu biometrischen Identifikationssystemen auf Flughäfen ist Gesichtserkennungstechnologie mittlerweile an immer mehr Orten auf der ganzen Welt verbreitet.
In ihrer harmlosesten Form ist die Gesichtserkennungstechnologie eine bequeme Möglichkeit, das Smartphone zu entsperren. Auf staatlicher Ebene ist die Gesichtserkennung jedoch ein zentraler Bestandteil der Massenüberwachung und betrifft bereits regelmäßig die Hälfte der Weltbevölkerung.
Die Visualisierungen von SurfShark klassifizieren 194 Länder und Regionen basierend auf dem Ausmaß der Überwachung.
In 98 Ländern ist Gesichtserkennungstechnologie im Einsatz, in 12 Ländern ist sie genehmigt, aber noch nicht im Einsatz, in 13 Ländern erprobt man die Technik, in 68 Ländern lässt sich bisher kein Gebrauch feststellen, in drei Ländern darf sie (aktuell) nicht eingesetzt werden (Belgien, Luxemburg, Marokko).
Werfen wir einen Blick auf die Art und Weise, wie Gesichtserkennungstechnologie in allen Regionen eingesetzt wird.
Nordamerika, Mittelamerika und Karibik
In den USA zeigte eine Studie aus dem Jahr 2016, dass bereits die Hälfte der amerikanischen Erwachsenen in einer Art Gesichtserkennungsnetzwerk erfasst wurde. Kürzlich stellte das Heimatschutzministerium seinen „Biometrischen Ausreiseplan“ vor, der darauf abzielt, bis 2023 bei fast allen Flugpassagieren Gesichtserkennungstechnologie einzusetzen, um die Einhaltung des Visumstatus festzustellen.
(Grafiken von Visual Capitalist veröffentlicht am 22. Mai 2020)
Es überrascht vielleicht, dass laut einer Umfrage von Pew Research 59 % der Amerikaner tatsächlich die Einführung von Gesichtserkennungstechnologie befürworten, da sie diese für den Einsatz in der Strafverfolgung als akzeptabel erachten. Dennoch haben einige Städte auf ein Verbot der Überwachung gedrängt und sich gegen einen möglichen Missbrauch durch die Regierung ausgesprochen.
Gesichtserkennungstechnologie kann nach einer Naturkatastrophe möglicherweise nützlich sein. Nach einem Wirbelsturm im Spätsommer 2019 starteten die Bahamas eine Blockchain-basierte Vermisstendatenbank „FindMeBahamas“, um Tausende von Vertriebenen zu identifizieren.
Südamerika
Der Großteil der Gesichtserkennungstechnologie in Südamerika zielt angeblich darauf ab, gegen Kriminalität vorzugehen. Tatsächlich gelang es in Brasilien, den zweitmeistgesuchten Verbrecher von Interpol zu fassen.
Brasilien ist die Heimat von über 209 Millionen Menschen und plant in Kürze die Einrichtung einer biometrischen Datenbank seiner Bürger. Einige befürchten jedoch, dass dies auch dazu dienen könnte, Meinungsverschiedenheiten gegen die aktuelle politische Ordnung zu verhindern.
Europa
Belgien und Luxemburg sind zwei von nur drei Regierungen weltweit, die sich offiziell gegen den Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie aussprechen.
Darüber hinaus sind 80 % der Europäer nicht daran interessiert, Gesichtsdaten an Behörden weiterzugeben. Trotz dieser negativen Stimmung wird die Technik bis heute in 26 europäischen Ländern eingesetzt.
„Die EU ist ein Zufluchtsort für rechtswidrige biometrische Experimente und Überwachung.“ — Europäische digitale Rechte (EDRi)
In Russland haben sich die Behörden auf Gesichtserkennungstechnologie verlassen, um potenzielle COVID-19-Überträger auf Verstöße gegen Quarantänevorschriften zu prüfen. Allein in Moskau sind Berichten zufolge über 100.000 Kameras mit Gesichtserkennung im Einsatz.
Naher Osten und Zentralasien
Gesichtserkennungstechnologie ist in dieser Region weit verbreitet, insbesondere für militärische Zwecke.
In der Türkei werden 30 im Inland entwickelte Kamikaze-Drohnen KI und Gesichtserkennung zur Grenzsicherung nutzen. Ebenso hat Israel an den 27 Kontrollpunkten im Westjordanland ein wachsames Auge auf die palästinensischen Bürger.
In anderen Teilen der Region hat die Polizei in den Vereinigten Arabischen Emiraten diskrete Datenbrillen gekauft, mit denen sich Menschenmengen scannen lassen, wobei positive Übereinstimmungen auf einem integrierten Linsendisplay angezeigt werden. In Kasachstan könnte die Gesichtserkennungstechnologie Fahrkarten für öffentliche Verkehrsmittel vollständig ersetzen.
Ostasien und Ozeanien
Anläßlich COVID-19 wurde die Kontaktverfolgung durch biometrische Identifizierung zu einem gängigen Instrument, in Ländern wie China, Südkorea, Taiwan und Singapur. In einigen Fällen umfasste dies den Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie zur Überwachung der Temperatur und zur Erkennung von Personen ohne Maske.
Dennoch bleibt die Frage offen, ob das Pandemie-Panoptikum damit aufhören wird.
China wird oft als berüchtigter Anwendungsfall für Massenüberwachung angeführt, und das Land hat weltweit das höchste Verhältnis von Videokameras zu Bürgern – eine pro 12 Einwohner. Bis 2023 wird China der größte Einzelspieler auf dem globalen Markt für Gesichtserkennung sein. Und es geht nicht nur darum, die Technologie zu Hause zu implementieren, sondern auch zu exportieren.
Afrika
Obwohl auf dem afrikanischen Kontinent derzeit die geringste Konzentration an Gesichtserkennungstechnologien im Einsatz ist, wird dieses Defizit möglicherweise nicht lange anhalten.
Mehrere afrikanische Länder wie Kenia und Uganda haben von chinesischen Unternehmen – insbesondere Huawei – Finanzmittel und Infrastruktur für Telekommunikation und Überwachung erhalten. Während das Unternehmen behauptet, dass dies zu einem Rückgang der regionalen Kriminalitätsraten geführt habe, stehen einige Aktivisten der Partnerschaft skeptisch gegenüber.
Unabhängig davon, ob man Gesichtserkennungstechnologie mit öffentlicher und nationaler Sicherheit begründet oder aus der Perspektive der individuellen Freiheit betrachtet, ist es klar, dass diese Art der Überwachung von Dauer sein wird.