(Grafik von Visual Capitalist veröffentlicht am 9. Juli 2021)
Wohin wenden sich sehr vermögende Privatpersonen, wenn sie nach Niedrigsteuerländern („Steueroasen“) suchen, um Einkommen und Vermögen vor ihren heimischen Regierungen zu schützen?
Will man Geld auf Offshore-Bankkonten anlegen, um Steuern zu sparen, achtet man vor allem auf zwei Kriterien: Geheimhaltung und Zugänglichkeit. Basierend auf Popkultur- und Medienberichten könnte man sich eine verschwiegene Bank in der Schweiz oder einen winzigen Inselstaat in der Karibik vorstellen.
Und obwohl an dieser Logik etwas Wahres dran ist, ist die Realität so, dass die größten Steueroasen über die ganze Welt verteilt sind. Einige von ihnen sind erwartungsgemäß kleine Nationen, andere wiederum sind große Wirtschaftsmächte, was überraschend sein könnte.
Hier sind die 20 größten „Steueroasen“ der Welt, aufgeführt im Financial Secrecy Index (FSI) 2020 der englischen Nichtregierungsorganisation Tax Justice Network.
Welche Länder sind die größten „Steueroasen“?
Der Index FSI bewertet Länder und Gebiete auf der ganzen Welt nach zwei Kriterien: Geheimhaltung und Finanzbedeutung im Sinn von Anteil an Offshore-Finanzdienstleistungen („scale“).
Mit Geheimhaltungswert ist gemeint: Wie gut kann das Bankensystem der Jurisdiktion Geld verbergen? Dazu gehört die Analyse der Eigentumsregistrierung, der Transparenz juristischer Personen, der Steuer- und Finanzvorschriften sowie der Zusammenarbeit mit internationalen Standards.
Global Scale Weight: Wie hoch ist der Anteil der jeweiligen Jurisdiktion an den gesamten grenzüberschreitenden Finanzdienstleistungen weltweit? Diese Kennzahl basiert hauptsächlich auf der Zahlungsbilanzstatistik des Internationalen Währungsfonds (IWF).
Indem wir die Fähigkeit eines Landes, Geld zu verstecken, anhand seines relativen Anteils an Offshore-Finanzdienstleistungen abwägen, erkennen wir die „Steueroasen“ mit den größten Auswirkungen auf die Weltwirtschaft.
Auf einen Blick sind die Top-20-„Steueroasen“ über die Regionen verteilt. Knapp die Hälfte der Liste befindet sich in Europa, der Rest verteilt sich auf den amerikanischen Kontinent und Asien.
Und die Jurisdiktionen sind in vielerlei Hinsicht gegensätzlich. Dazu gehören Finanzmächte wie die USA, Japan und Großbritannien sowie kleinere Nationen und Gebiete wie die Kaimaninseln, Hongkong und Luxemburg.
Aber eine überraschende Gemeinsamkeit vieler von ihnen ist die Verbindung zu England. Neben dem Vereinigten Königreich sind vier der Top-20-„Steueroasen“ – Kaimaninseln, Britische Jungferninseln, Guernsey und Jersey – britische Überseegebiete oder Kronbesitzungen.
Erwähnenswert ist auch die Bedeutung der Skalierung in den Rankings. Die Malediven, Angola und Algerien waren tatsächlich die Länder mit dem höchsten Geheimhaltungsgrad, sie machen jedoch weniger als 0,1 % der gesamten Offshore-Finanzdienstleistungen aus.
Der beste Ort, um Privates zu verstecken vs. Körperschaftsteuer
Einige der aufgeführten Niedrigsteuerländer könnten für die Staatsangehörigen dieser Länder verwirrend sein, aber hier ist die persönliche Bezüglichkeit wichtig. Die USA und Kanada sind für amerikanische oder kanadische Staatsangehörige vielleicht keine „Steueroasen“, aber Superreiche aus Ostasien und dem Nahen Osten nutzen sie nach dem was man hört aufgrund von Lücken in ausländischen Steuergesetzen. Ebenso sind die Vereinigten Arabischen Emirate laut Berichten zu einem Steuerparadies für die Superreichen Afrikas geworden.
Darüber hinaus werden viele der Länder, die als „Steueroasen“ für Privatvermögen dienen, auch von Unternehmen genutzt.
In der Bewertung der Niedrigsteuerländer für Unternehmen im Jahr 2021 des Vereins Tax Justice Network wurden die Britischen Jungferninseln, die Kaimaninseln und die Bermudas als die drei wichtigsten „Steueroasen“ für Unternehmen aufgeführt.
Während Einzelpersonen in Niedrigsteuerländern Briefkastenfirmen gründen können, um ihr Vermögen zu verbergen, werden Unternehmen in der Regel direkt in der „Steueroase“ gegründet, um Steuerdumping zu erreichen.
Globale Mindeststeuer nur für Konzerne
Doch die Landschaft der Niedrigsteuerländer hat sich verändert. Die G7-Staaten einigten sich zunächst im Juni 2021 darauf, multinationale Konzerne auf der Grundlage der in jedem Land erzielten Einnahmen zu besteuern (anstelle des Ortes, an dem das Unternehmen seinen Sitz hat) und eine globale Mindeststeuer von 15 % festzulegen. Darunter fallen aber nicht sogenannte Briefkastengesellschaften Vermögender in Niedrigsteuerländern.
Insgesamt hat eine Gruppe von 130 Ländern dem Abkommen zugestimmt, darunter Indien, China, das Vereinigte Königreich und die Kaimaninseln.
Im Oktober 2021 erfolgte dann ein entsprechender Beschluss von 136 Staaten. Der „globalen Mindestbesteuerung“ nicht zugestimmt haben Kenia, Nigeria, Pakistan und Sri Lanka. Die Steuer soll ab 2023 gelten.
Nun stellt sich die Frage: Werden die betroffenen großen Konzerne anfangen, sich den neuen Restriktionen zu fügen oder neue Problemumgehungen und Steueroasen entdecken?